Scheidung erst nach drei Jahren?

Immer wieder liest oder hört man – zuletzt auf einem Instagram-Reel von einer Fachanwältin für Familienrecht – dass eine Ehe erst nach drei Jahren gegen den Willen des anderen geschieden werden kann und davor eine Zustimmung nötig sei. Diese Aussagen sind schlicht falsch. Aus meiner Praxis kann ich bestätigen, dass die Scheidung auch nach einem Jahr Trennung regelmäßig und ohne Zustimmung des anderen Ehegatten möglich ist.

 

Die gesetzlichen Grundlagen

Der maßgebliche Paragraf ist §1566 BGB („Vermutung für das Scheitern einer Ehe“):

Grundsatz: Lebt das Ehepaar seit einem Jahr getrennt und beantragt ein Ehegatte die Scheidung, während der andere zustimmt oder nichts dagegen einwendet, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist.
– Stimmt ein Ehegatte der Scheidung nach einem Jahr nicht zu, kann die Ehe trotzdem geschieden werden – wenn das Gericht zum Ergebnis gelangt, dass die Ehe endgültig zerrüttet ist.

Im Klartext: Eine Wartefrist von drei Jahren ist keine Voraussetzung für die Scheidung gegen den Willen des anderen.

 

Wie läuft es in der Praxis?

In meiner anwaltlichen Arbeit erlebe ich es wöchentlich: Nach einem Trennungsjahr kann die Scheidung problemlos auch gegen den Willen des anderen Ehegatten erwirkt werden, sofern das Trennungsjahr nachweisbar ist und irreparable Zerrüttung vorliegt.

– Die Gerichte nehmen das Scheitern der Ehe nach Ablauf des Trennungsjahrs i.d.R. an – auch ohne Zustimmung des anderen.
– Eine Ausnahme besteht nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ehe doch nicht endgültig gescheitert ist (was praktisch kaum vorkommt).
– Die sogenannte Dreijahresregel (§1566 Abs.2 BGB) ist lediglich eine Vermutungsregel: Nach drei Jahren Getrenntleben wird das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet, ganz ohne dahingehende Prüfung durch das Gericht. Das beschleunigt die Verfahren, doch auch vorher ist eine Scheidung bei Vorliegen der Voraussetzungen möglich.

 

Verzögerungsmöglichkeit

Allerdings ist es möglich, das Scheidungsverfahren mit weiteren Anträgen zu verzögern, im schlimmsten Fall sogar über mehrere Jahre. Dann ist das Problem aber nicht die Feststellung der Zerrüttung der Ehe sondern der Zugewinnausgleich, der nacheheliche Unterhalt oder der Versorgungsausgleich.

 

Stuttgart, den 25.07.2025

Tobias Zink, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht aus Stuttgart, ist spezialisiert auf Familienrecht. Auf Twitter/X postet er unter http://x.com/FamRZink

 

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